Durch die immer kleiner werdenden Chöre der einzelnen evangelischen Kirchgemeinden,
das war seit 1965 immer deutlicher zu beobachten, bestand kaum noch die Möglichkeit,
größere Chorwerke aufzuführen und Gottesdienste entsprechend mitzugestalten, in
Altenheimen zu singen und bei Gemeindegliedern, Erwachsenen und Kindern die
Singefreudigkeit zu wecken. Auf Anregung einiger Pfarrer, maßgeblich des Pfarrers
Rudolf Hanschel, wurde 1973 damit begonnen, zu größeren Veranstaltungen die Chöre
zusammenzulegen und auch den Chor der katholischen Gemeinde zu gewinnen.
So sollte den Aufgaben der Kirchenmusik wieder umfangreicher nachgekommen werden.
Zunächst gab es einen Gesamtchor unter der Leitung vom Kreiskirchenmusikwart
Klaus-Peter Barth.Ab Mai 1975 probten die Chöre 14tägig als Gesamtchor im
Gemeindehaus St. Georg am Karl-Ritter-Platz und 14tägig getrennt für gemeindliche
Einsätze.
Der Gesamtchor sollte jährlich drei Chormusiken erarbeiten und die Mitgestaltung
der Gottesdienste langfristig planen.
Es gab auch immer wieder Auseinandersetzungen über die Leitung des Gesamtchores,
aber das Bestreben nach seiner Weiterentwicklung war vorherrschend. Im Jahr 1976
übernahm die Kantorin der evangelischen Kreuzkirchengemeinde, Frau Gertrud Nagel,
die Leitung des Gesamtchores.
Bereits Anfang der 70er Jahre gab es erste kirchenmusikalische Kontakte mit der
katholischen Gemeinde. Der Kirchenmusiker Peter Rompf hatte nicht nur mit dem
Chor der katholischen Gemeinde, sondern auch in der Jugendarbeit und an der Orgel
kirchenmusikalisch im Rahmen der Ökumene Akzente gesetzt.
Und dann passierte es!
Im September 1977 sollte das Maximilian-Kolbe-Haus in einem Festgottesdienst mit
zwei Bischöfen eingeweiht werden. Als besondere Schikane hatten die DDR-Behörden
verfügt, dass Herr Rompf an genau diesem Tag um 12 Uhr die DDR zu verlassen hätte.
Damit hätten sie gleichzeitig die musikalische Gestaltung des Festgottesdienstes
empfindlich stören können.
Für diesen Fall hatte Herr Rompf aber vorgesorgt. Die Verbindungen zur Kantorin
der Kreuzgemeinde, Gertrud Nagel, waren lange schon aufgebaut und verlässlich, so
dass sie ohne Probleme einspringen konnte.
Im Nachklang, den Herbstmonaten des Jahres 1977, war die Situation der Kirchenmusik
Gegenstand von Beratungen im Ökumenischen Konvent und unter den Kirchenmusikern.
Ein gut besetzter katholischer Chor ohne Chorleiter, 3 kleine, kaum singfähige
Chorgruppen in den 3 evangelischen Stadtgemeinden – die Entscheidung für einen
ökumenischen Chor fiel schnell. Wenn auch nicht schmerz- und problemlos, bedeutete
sie ja auch die Aufgabe der gemeindlichen Autonomie in Sachen Chorgesang. Die Idee
hat sich aber doch durchgesetzt. Ohne die günstige und ökumene-freundliche personelle
Konstellation der Gemeindeleitungen hätte es nicht gelingen können. Deren Unterstützung
zeigte sich auch praktisch: Pfarrer Töppen, Pfarrer Hanschel, Pfarrer Danicke und
Pfarrer Muschick haben über längere Zeit mitgesungen.
Das Weihnachts-Oratorium von Johann Sebastian Bach war das erste Oratorium, das
der Chor am 20. Dezember 1978 in der Konzerthalle Frankfurt (Oder) aus Anlass des
100jährigen Bestehens der St.-Gertraud-Kirche aufführte.
Damit war der Grundstein für eine Tradition gelegt. Ab sofort fanden die Proben
wöchentlich statt. Einem Bericht zufolge war die Frankfurter Kantorei im Dezember
1979 auf 100 Mitglieder angewachsen.
Seit ihrem 60. Geburtstag hat Frau Nagel bis 1989 verkürzt gearbeitet. Rund zwei
Jahrzehnte hat sie in Frankfurt (Oder) gewirkt und sich um die Entwicklung der
Kantorei verdient gemacht. Viele haben ihr dafür gedankt.
Jetzt musste die Frage der Nachfolge geregelt werden.
Die Nachfolge der Leitung wollte die evangelische Kirchgemeinde bestimmen. Die
katholische Kirchgemeinde hat dies akzeptiert, jedoch wurde wegen der langjährigen
Zusammenarbeit ein Beratungsrecht vereinbart.
Seit Februar 1989 leitete Kantor Dietrich Modersohn, der auch mit der Zustimmung
der katholischen Kirchgemeinde gewählt wurde, die Frankfurter Kantorei.An den
Aufgaben hat sich damit nichts geändert.
Ein neuer Kantor setzt neue Akzente.
Die Bemühungen von Herrn Dietrich Modersohn, die Kantorei weiterzubringen, blieben
nicht ohne Erfolg. Viele Chorkonzerte, gefasst in einem geschlossenen Jahresprogramm,
Probenwochenenden, Reisen und Begegnungen haben sehr zur Motivation beigetragen.
Durch einen Zufall erfuhren Chormitglieder im Juni 1990 von der Durchreise der
Frankfurter Kantorei aus Frankfurt am Main und fanden die Idee gut, ein Konzert
der Frankfurter Kantoreien in der Gertraud-Kirche zu veranstalten. Man konnte die
Eintrittskarten mit D- und DDR-Mark kaufen.
Im Nachklang allerdings kam die Aufforderung, den Namen des Chores zu ändern, weil
der Chor aus Frankfurt am Main nicht mit dem hiesigen verwechselt werden wollte.
Seitdem erst heißt es: Frankfurter Ökumenische Kantorei.
Seit dem 15. Januar 1991 gibt es einen Chorrat. Acht Sängerinnen und Sänger,
jeweils zwei aus einer Chorstimme, werden alle vier Jahre von den Kantoreimitgliedern
gewählt, um die Interessen der Sängerinnen und Sänger dem Kantor vorzutragen.
Außerdem unterstützt der Chorrat ihn bei organisatorischen Angelegenheiten und
steht ihm beratend zur Seite. Für den Chorrat gibt es festgelegte, beschlossene
Richtlinien.
1991 wurde auch eine Anwesenheitsliste für die Chorproben eingeführt, von einigen
bespöttelt, aber die einzige Möglichkeit, eine Übersicht über die Teilnahme der
einzelnen Sängerinnen und Sänger an den Kantoreiproben zu haben.
Ab 1992 unterstützt der „Förderverein für Kirchenmusik in Frankfurt (Oder) e.V.“
die kirchenmusikalische Arbeit in unserer Stadt und bemüht sich um finanzielle
Förderung der Frankfurter Ökumenischen Kantorei.
Im Spätherbst 1992 war die Frankfurter Ökumenische Kantorei zum ersten Mal in
Hirschluch zu einem Probenwochenende. Damit wurde der Grundstein einer bis heute
währenden Tradition gelegt.
Nachdem Kantor Dietrich Modersohn im Frühjahr 2003 eine neue Kirchenmusiker-Stelle
antrat, übernahm Kantor Stephan Hardt am 1. August 2003 die Leitung der Frankfurter
Ökumenischen Kantorei. Damit wird die Arbeit weiter fortgeführt.
Im September 2007 feierte die Frankfurter Ökumenische Kantorei das 30jährige Bestehen
mit dem ersten Frankfurter Ökumenischen Kirchentag und einem Festkonzert mit der
Aufführung des Oratoriums „Die Jahreszeiten“ von Joseph Haydn in der
St. Marienkirche Frankfurt (Oder).
Das Jubiläum 2017 fällt im Rahmen des Reformationsjubiläums etwas bescheidener aus.
Am Sonntag Kantate, dem 14. Mai 2017 wollen wir in einem Kantatengottesdienst mit
der Kantate BWV 80 von Johann Sebastian Bach „Ein feste Burg ist unser Gott“
das 40 jährige Bestehen der Frankfurter Ökumenischen Kantorei feiern.
Nach dem Gottesdienst gibt es ein gemeinsames Mittagessen mit der Gemeinde im Saal
der St.-Gertraud-Kirche.
Danach wollen die Kantoreimitglieder weiterfeiern und um 16 Uhr den Festsonntag
beschließen.
Die Ökumenische Kantorei ist – jenseits allen erforderlichen Einsatzes von Geld –
ein Geschenk, eines, dass sich die Mitwirkenden machen (auch wenn sie sich manchmal
dessen nicht bewusst sind). Sie ist mit ihrem Engagement ein Geschenk für die
Pflegeeinrichtungen, in denen die Frankfurter Ökumenische Kantorei singt, für die
Gemeinden, deren Gottesdienste sie festlich werden lässt.
Wenn das bewusst ist – Geschenk, nicht Besitz – dürfen die jeweiligen
Gemeindeleiter sich nach Gottesdiensten durchaus und mit vollem Recht jeweils
bei unserer Kantorei bedanken. Bei der gewachsenen Struktur der Mitwirkenden
über konfessionelle Grenzen hinweg und dem Anteil der Frankfurter Ökumenischen
Kantorei an dem Musikleben der Stadt kann man inzwischen auch mit begründetem
Selbstbewusstsein sagen: die Kantorei ist ein Geschenk an die Stadt, an unsere
Mitbürger.
Die Kantorei ist vor allem eine, wenn nicht sogar die wichtigste Frucht der aktiven
ökumenischen Bestrebungen in Frankfurt (Oder), mit vielen positiven Rückwirkungen
auf das Zusammengehörigkeitsgefühl der Christen in Frankfurt an der Oder.
Gegraben und gesät haben Einige,
gegossen auch – wachsen lassen hat nur EINER.
Soli Deo Gloria
|