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KJK - Chorreisen - Ostdeutschland


Sommer 2003

Am Donnerstag, dem 3. Juli 2003, war es wieder soweit: Gemeinsam mit den Sommerferien stand auch unsere alljährliche Chorfahrt vor der Tür. Unser langjähriger Kantor Dietrich Modersohn, der uns im April Richtung Saalfeld (Thüringen) verlassen hatte, wollte mit uns und seinen beiden neuen Chören, den Thüringer Sängerknaben und dem Mädelchor Saalfeld, durch Thüringen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg reisen.

Nachdem wir uns um 6:45 Uhr in der Gertraudkirche zusammengefunden und unseren Reisesegen empfangen hatten, machten wir uns mit unserer angestammten Begleiterin Anke Hanisch per Bus auf den Weg nach Saalfeld. Von der uns vom Busfahrer eindringlich nahegebrachten Anschnallpflicht ließen wir uns die Fahrt nicht verderben, ein Videofilm ("Forrest Gump") sorgte bald für angemessene Unterhaltung.

Obwohl so manches Chormitglied schon während der Fahrt mehrmals Herrn Modersohn irgendwo in freier Wildbahn gesichtet zu haben glaubte, freuten wir uns über das Wiedersehen, als wir mehr als pünktlich in Saalfeld ankamen. Die anschließende Freizeit verbrachte ein Großteil des Chores damit, sich von der schlechten Qualität eines Saalfelder Döners zu überzeugen.

In der darauf folgenden "Generalprobe" klärte Herr Modersohn noch einige Feinheiten des Konzertablaufs (welcher Chor singt wann und wann nicht...) und machte uns mit den Saalfelder Sängerinnen und Sängern bekannt. Anschließend ging es zum Abendbrotessen und Frischmachen für etwa zwei Stunden in die Gastfamilien.

Um 20 Uhr gaben wir das erste Konzert der Reise in der Johanneskirche zu Saalfeld. Nicht alles verlief wie gewünscht, was aufgrund der sehr kurzen Vorbereitungszeit unter Herrn Modersohn nicht weiter verwunderlich war. Nach dem Konzert gingen die meisten in ihren Gastfamilien sehr bald zu Bett, um versäumten Schlaf nachzuholen.

Am nächsten Morgen machten wir uns dreichörig in zwei Bussen auf den Weg Richtung Mücheln (Sachsen-Anhalt). Doch zunächst gab es für uns Frankfurter eine kleine Überraschung: In Apolda, der Noch-Wirkungsstätte unseres zukünftigen Kantors Stephan Hardt, trafen wir mit ebenjenem zu einem großzügigen Kaffeetrinken (oder vielmehr zweiten Frühstück) zusammen.

Auf der anschließenden Busfahrt wurde die Stimmung ein wenig gedrückt, als Herr Modersohn die Chorordnung verlas. Offensichtlich wollte er all das, was bei uns in Vergangenheit schief gelaufen war, bei den Saalfeldern durch disziplinarische Sofortmaßnahmen erst gar nicht aufkommen lassen. Dem Begriff "Klopunkt" sollte im weiteren Verlauf der Chorreise eine völlig neue Dimension verliehen werden.

Als wir in Mücheln ankamen, gab es schon wieder Kuchen. Diesmal in der Gesellschaft von Nudelsalat. In der darauf folgenden Stellprobe machte sich die Abwesenheit des Organisten negativ bemerkbar. Als der endlich eintraf, wurden wir Zeugen einer disziplinarischen Sofortmaßnahme: Er durfte auch gleich wieder gehen.

Nachdem wir dem Bürgermeister der französischen Partnerstadt von Mücheln ein kleines Geburtstagsständchen dargeboten hatten, machte im Konzert schließlich ein Herr zum wiederholten Male auf sich aufmerksam, der zuvor bereits Teile unseres Kuchenkapitals zu stehlen gewagt hatte. Sehr zum Leidwesen der weiteren Zuhörer stimmte er bei nahezu jedem Werk mit in den Gesang ein, was besonders bei Stücken des Mädelchores nicht unbemerkt blieb. Er wurde zu unserem größten Fan auserkoren und hat seither einen festen Platz in unseren Herzen.

Nach dem Konzert fuhren wir direkt zurück nach Saalfeld, wobei sich die geriatrisch Fortgeschrittenen gegen einen Obolus auch noch von der schlechten Qualität eines Saalfelder Bieres überzeugen durften.

Die Nacht war nicht die längste, denn am Samstag Morgen mussten wir bereits um 5:30 Uhr an der Johanneskirche sein. Nachdem wir eine neue Mettenordnung kennen gelernt und einen weiteren Reisesegen empfangen hatten, ging nun auch für die Saalfelder die Chorreise richtig los. Mit unseren beiden Bussen sowie dem "Spasz-Mobil" - einem Kleinwagen, der für den Transport der Orgel "Olga" und weiterer Gerätschaften verantwortlich war - machten wir uns auf den Weg gen Norden. Während der Fahrt sorgte Benjamin Blümchen von der Mattscheibe aus für Meinungsverschiedenheiten zum Thema "qualitativ hochwertige Unterhaltung".

Unsere nächste Station war Laage in Mecklenburg-Vorpommern. Die dortige Gemeinde hatte für uns eine Gulaschkanone organisiert. Unser Mittagessen verspeisten wir in zum Teil sehr idyllischen Räumlichkeiten, zu denen auch ein kleines Kino zählte. Dort wurde dann sogar der Film "Amelie" gezeigt, den zu schauen sich einige entschieden, während andere die Laage peilten und sich auf die Suche nach einem Lebensmittelgeschäft machten.

Als schließlich dank Bernd, unserem Busfahrer, auch der Letzte (...) seine Chorkutte gefunden und angelegt hatte, konnte auch das Konzert stattfinden. Anschließend ging die Reise weiter nach Pruchten, unserem Gruppenquartier für die nächsten vier Tage. Anke regelte die Zimmerverteilung, dann gab es das angekündigte "warme Abendessen" (Wiener mit Kartoffelsalat).

Bald schon schlug es 21 Uhr, die Zeit, zu der laut Chorordnung alle Kinder bis zu einem Alter von einschließlich 14 Jahren im Bett zu sein hatten. Wir erlebten, wie Herr Modersohn persönlich die Einhaltung der Chorregeln sicherzustellen versuchte, denn wer fortan noch mal eben das Fenster öffnen wollte, bekam sogleich ein Klo aufgebrummt. (Dieses sollte der für schuldig Befundene am nächsten Tag putzen, doch im Laufe der Chorreise stellte sich heraus, dass es gar nicht so viele Klos gab, wie Klopunkte verteilt wurden, und so wurde meistens ein Bus daraus, oder ein Tisch, der abgewischt werden musste.) Die Stimmung war allgemein gedrückt, ein rechtes Chorfahrt-Feeling wollte nicht aufkommen. Vor der allgemeinen Nachtruhe mussten sich die je zwölf Bewohner einer Pruchtbude noch darüber einig werden, wie man zeitlich am effizientesten allmorgendlich eine Dusche durch zwölf teilt.

Der Sonntag begann mit Klopunkten. Kaum jemandem war bewusst, dass das Frühstück eine Pflichtveranstaltung darstellte, und so bekamen viele noch im Halbschlaf ihr erstes Klo des Tages aufgebrummt. Während des Frühstücks gab es Brötchenschiebereien, denn nicht allen reichten die von der Herbergsleitung zur Verfügung gestellten "zwei Brötchen pro Person".

Nach dem Frühstück fuhren wir nach Stralsund. In der dortigen Marienkirche, einem Riesenbauwerk mit sehr interessanter Akustik, hatten wir zunächst eine Stellprobe, anschließend gab es herzerquickende Soljanka zum Mittag. Die darauf folgende kurze Freizeit verbrachten die meisten mit einem kleinen Spaziergang durch Stralsund, schon einmal Dagewesene fachsimpelten über Marktzeiten und -örtlichkeiten und manch einer war sich so sicher, dass er Namenspatron für ein Stralsunder Bauwerk war, dass er sich einfach auf die Suche machte.

Um 14 Uhr begann in der Marienkirche der Gottesdienst, den wir, aber auch so manches Gemeindemitglied (Schmetterling...), lautstark mitgestalteten.

Wieder in Pruchten angekommen, wurde zunächst eine Ältestensitzung einberufen, um die emotionalen Missstände in den Chören anzuprangern und auszumerzen. Unabhängig davon liefen die Vorbereitungen für einen geselligen Abend auf Hochtouren. Dieser wurde ein voller Erfolg. Obschon die Beteiligung der älteren Saalfelder recht gering ausfiel, hatten "die Kleinen" beim Gordischen Knoten, Pferderennen, Besentanz und weiteren Spielen sichtlich Spaß. Zum Abschluss brachte der Frankfurter Basskern noch ein Ständchen von einigen Schellack-Liedern, und nach dem Abendlied "Müde bin ich, geh zur Ruh" gingen die kleinen Kinder zur Ruh.

Die Älteren setzten sich noch ein wenig zusammen, plauderten und tranken, lachten und scherzten, und siehe da - manch einer hatte sich sogar die Haare gegelt - bis schließlich zu später Stund auch manches große Kind ins Bett gebracht werden musste.

Am nächsten Morgen war das Frühstück freigestellt - eine Errungenschaft der Ältestensitzung vom Vortag. Anschließend wurde eine Zahnputzorgie durchgeführt. Der Vormittag war mit Einzelstimmproben und Freizeit für die gerade nicht probenden Stimmen gefüllt. Die Wiese zwischen den beiden von uns bewohnten Blöcken entwickelte sich zu einem beliebten Aufenthaltsort für Jung und Alt.

Nach dem Mittagessen wurden Stullen geschmiert und Lunchpakete gepackt, da wir zum Abendessen noch nicht zurück in Pruchten sein würden. Wir machten uns auf in die Weltstadt Loitz. Nach der Stellprobe in der hübschen Kirche bekamen wir Kaffee und Tee im örtlichen Gemeindezentrum. Viele setzten sich in den Garten und plauderten, andere gingen einkaufen und feierten bei sommerlichen Temperaturen eine Müller-Milch-Orgie.

Mit der Qualität des Konzertes waren wir ganz zufrieden, doch wurde hinterher einstimmig Kritik an der Organistin geübt. In Pruchten kamen wir erst weit nach 21 Uhr an (Au weia!!!), also beschlossen viele Ältere, aus Solidarität mit der Chorordnung auch gleich ins Bett zu gehen.

Der Ablauf des nächsten Tages war dem vom Montag täuschend ähnlich. Allerdings wurde nicht nur nach dem Frühstück, sondern auch nach dem Mittag eine Zahnputzorgie zelebriert, was auf Unverständnis und Ekel bei einigen Saalfelder Mädels stieß. Mit Lunchpaketen im Gepäck fuhren wir nach Gnoien.

Im Konzert fiel ein Saalfelder Sängerknabe durch die Zoologisierung der alttestamentlichen Bezeichnung Gottes auf, die selbst den Dirigenten zum Lachen brachte. Dennoch nahm Herr Modersohn den künstlerischen Griff ins Klo zum Anlass für eine Moralpredigt.

Während der Busfahrt zurück nach Pruchten wurden wir Zeugen eines phänomenalen Sonnenuntergangs. Im Quartier angekommen, fand zunächst mal wieder eine Chorältestensitzung statt. Die Thüringer Sängerknaben mit ihrer jahrzehntelangen Tradition waren durch etwa 15 Krankheitsfälle tatsächlich an den Rand der Singfähigkeit gekommen.

Am Abend saß man wieder gemütlich beisammen, feierte feucht-fröhlich, missachtete spätestens ab 24 Uhr die Chorregeln (Au weia!!!) und spielte "Mord in Palermo" - schade nur, dass sich mancher Mafioso bei der Androhung von drei Klopunkten selbst lynchte und ins Bett verdünnisierte.

Am nächsten Tag verließen wir unser Quartier in Pruchten. Während der Andacht und der Segensbitte bewies sich Herr Modersohn einmal mehr als Freestyler. Dann machten wir uns auf den Weg Richtung Strausberg. Zum Mittag gab es Kesselgulasch in einem Strausberger Biergarten, der für die Thüringer Sängerknaben reserviert war - glücklicherweise waren die nett genug, auch die beiden anderen Chöre mit einzuladen.

Nach einem gelungenen Konzert mit begeisternden Orgelwerken fuhren wir weiter nach Frankfurt (Oder), wo wir die letzten vier Tage der Reise verbringen sollten, und machten die Saalfelder in unserem Bus mit einer aufwendigen Moderation sogleich auf die Top-Sehenswürdigkeiten unserer Stadt aufmerksam: Dönerbuden, Parkscheinautomaten, Fahrrad fahrende Geschwister von Chormitgliedern...

In der folgenden Nacht schliefen die meisten von uns in ihren eigenen Betten, einige ältere Saalfelder logierten im Gemeindezentrum in Neuberesinchen, da sich in Frankfurt nicht genügend Gastfamilien gefunden hatten.

Am Donnerstag trafen wir uns um 10 Uhr und wanderten in der Gruppe nach Güldendorf. Auf dem dortigen Sportplatz verbrachten wir die nächste Zeit und spielten Fußball und Volleyball, nahmen an Negerkusskatapultierwettbewerben teil und bewunderten die Sonnenblumen. Zum Mittagessen waren wir wieder in der Gertraudkirche und verspeisten wohlschmeckenden Eintopf.

Nach der Stellprobe hatten wir noch Zeit, den Saalfeldern die Frankfurter Café-Szene zu präsentieren, dann gab es ein von den Frankfurter Eltern organisiertes großzügiges Gemeinschaftsabendessen.

Um 20 Uhr hatten wir unser Heimspiel: In der Gertraudkirche sangen wir das Abschlusskonzert der Chorreise diesmal bereits drei Tage vor ihrem tatsächlichen Ende. Die Qualität des Konzertes war sehr ansprechend, obschon man einigen im Gemeindezentrum untergebrachten Saalfelder Männern anmerkte, dass sie in der vergangenen Nacht nicht viel Schlaf gehabt hatten. Das Frankfurter Publikum ließ uns nicht im Stich und forderte mit stehenden Ovationen noch zwei Zugaben, die sie bereits im letzten Jahr gehört haben mussten. Nach dem Konzert wurde noch ordentlich gefeiert, den Saalfeldern die Oderpromenade gezeigt, Bier getrunken und sich viel unterhalten.

Die Freizeitgestaltung des nächsten Tages lag in den Händen der Gastfamilien. Erst um 16 Uhr fuhren wir nach Fürstenberg, probten, wurden angemessen bewirtet und gaben das beste Konzert unserer Chorreise.

Am Samstag machten wir uns mit den Bussen auf den Weg nach Potsdam. Den ersten Höhepunkt bildete ein Autobahnrastplatz, auf dem sich eine Reisegruppe von estländischen Partytieren auf die in Berlin stattfindende Loveparade einstimmte. Die Chorältesten hatten alle Hände voll zu tun, ihren Kindern die Augen zu verdecken.

In Potsdam angekommen, überbrückten unsere Busfahrer den durch Desorganisation entstandenen Mittagessensengpass mit im Bus zubereiteten Bockwürsten. Anschließend hatten wir mehrere Stunden Zeit, im Park Sanssouci spazieren zu gehen und das herrliche Wetter zu genießen. In der Friedenskirche Sanssouci gaben wir schließlich unser letztes Konzert der Reise und fuhren, als alle den Bus gefunden hatten, zurück nach Frankfurt.

Da an diesem Wochenende das Festprogramm zum 750-jährigen Stadtjubiläum im Terminkalender stand, sahen sich viele am Abend auf dem Brunnenplatz wieder, wo die Leipziger "Prinzen" ein Konzert spielten und anschließend ein beeindruckendes Höhenfeuerwerk abgebrannt wurde.

Am Sonntag Morgen gestalteten wir den Festgottesdienst in der Friedenskirche mit, danach mussten wir Abschied von den Saalfeldern nehmen, die mit Herrn Modersohn zurück in ihre Heimat fuhren.

Einige begutachteten noch den großen Festumzug, an dem wir ursprünglich selbst hatten teilnehmen sollen. Am Abend ließen wir die Chorreise mit einer kleinen Abschlussfeier, auf der gespeist, getrunken, gespielt, zelebriert und tschüs gesagt wurde, ausklingen.

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